Truppenaufenthaltsgesetz
§ 1.Begriffsbestimmungen
- (1) Truppen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Einheiten und Verbände ausländischer Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie diesen angehörendes militärisches und ziviles Personal, soweit es sich im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Dienstes auf österreichischem Hoheitsgebiet aufhält.
- (2) Der Aufenthalt umfasst das Überqueren der Grenze zu, den vorübergehenden Aufenthalt in und das Verlassen von österreichischem Hoheitsgebiet.
§ 2.Gestatten des Aufenthaltes ausländischer Truppen
- (1) Soweit nicht völkerrechtliche Verpflichtungen oder überwiegende außenpolitische Interessen der Republik Österreich entgegenstehen, ist der Bundesminister für Landesverteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres ermächtigt, den Aufenthalt von Truppen zu gestatten, insbesondere
- 1. zur Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen,
- 2. zur Durchführung eines Beschlusses auf Grund des Titels V des Vertrages über die Europäische Union,
- 3. zur Durchführung eines Beschlusses im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE),
- 4. zur Teilnahme an sonstigen Friedensoperationen im Rahmen einer internationalen Organisation entsprechend den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen, wie etwa an Maßnahmen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe oder zur Unterbindung schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen,
- 5. zur Teilnahme an Übungen und Ausbildungsmaßnahmen,
- 6. zur Durchführung von Such-, Rettungs- und Katastrophenhilfsmaßnahmen,
- 7. zur Teilnahme an wissenschaftlichen oder sportlichen Veranstaltungen,
- 8. zur Durchführung notwendiger Maßnahmen im Vor- und Umfeld von Maßnahmen gemäß Z 1 bis 7, wie insbesondere Rettungs-, Kranken- und Organtransporte oder Versorgungsfahrten für zivile und militärische Einrichtungen einschließlich der Instandsetzung oder des Transports von Ersatzteilen.
- (2) Der Aufenthalt von Truppen ist nicht zu gestatten, wenn diese Kriegsmaterial mit sich führen, dessen Entwicklung oder Herstellung oder Einsatz nach österreichischer Rechtsordnung unzulässig ist.
- (3) Bei der Gestattung des Aufenthaltes gemäß Abs. 1 ist luftfahrtrechtlichen Vorschriften Rechnung zu tragen.
- (4) Soweit öffentliche Interessen dies erfordern, kann das Gestatten mit der Aufforderung zu bestimmtem Verhalten während des Aufenthaltes verbunden werden, insbesondere in Bezug auf die Art des Transportes von Kriegsmaterial und anderen Waffen oder die Wahl bestimmter Transportrouten.
- (5) Soweit das Völkerrecht für das Tragen von Uniformen oder Hoheitszeichen anderer Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen eine Zustimmung Österreichs vorsieht, gilt diese mit dem Gestatten des Aufenthaltes als erteilt, sofern im Einzelfall nicht anderes mitgeteilt wird.
- (6) Wird der Aufenthalt gemäß Abs. 1 gestattet, setzt der Bundesminister für Landesverteidigung hievon den Bundesminister für Inneres in Kenntnis.
§ 3.Verhältnis zu anderen Bundesgesetzen
- (1) Soweit in Übereinkommen gemäß § 4 nicht anderes vorgesehen ist, finden auf den Aufenthalt von Truppen und auf das von diesen mitgeführte Material keine Anwendung:
- 1. das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100,
- 2. das Grenzkontrollgesetz (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996,
- 3. das Meldegesetz 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992,
- 4. das Sprengmittelgesetz 2010 (SprG), BGBl. I Nr. 121/2009,
- 5. das Pyrotechnikgesetz 2010 (PyroTG 2010), BGBl. I Nr. 131/2009,
- 6. das Außenwirtschaftsgesetz 2011 (AußWG 2011), BGBl. I Nr. 26,
- 7. das Waffengesetz 1996 (WaffG), BGBl. I Nr. 12/1997, und
- 8. das Kriegsmaterialgesetz (KMG), BGBl. Nr. 540/1977.
- (2) Kraftfahrrechtliche Vorschriften über die Zulassung von Kraftfahrzeugen und straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen über das Fahrverbot von Lastkraftfahrzeugen sind nur insoweit anwendbar, als sie auch für Fahrzeuge des Bundesheeres gelten.
§ 4.Stellung der Truppen
Das Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (BGBl. III Nr. 136/1998 in Verbindung mit BGBl. III Nr. 135/1998) bleibt unberührt. Soweit dieses Übereinkommen keine Anwendung findet oder die Stellung von Truppen durch Völkerrecht nicht in anderer Weise ausreichend geregelt wird, kann die Bundesregierung – sofern sie zum Abschluss von Übereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist – völkerrechtliche Vereinbarungen schließen, die den Truppen einen den genannten Übereinkommen gleichwertigen Status gewährleisten; diese Übereinkommen können folgende Elemente enthalten:
- 1. Es besteht die Pflicht, einen Lichtbildausweis, aus dem Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit hervorgehen, mit sich zu führen und auf Verlangen vorzuweisen, sofern das militärische Personal nicht in einer Sammelliste des Kommandanten der Einheit eingetragen ist und dieser mit einem solchen Lichtbildausweis dessen Identität nachzuweisen vermag; ziviles Personal muss einen gültigen Reisepass oder Passersatz mit sich führen und auf Verlangen vorweisen.
- 2. Es besteht die Pflicht, bei der Einreise amtliche Gesundheitszeugnisse vorzuweisen, aus denen hervorgeht, dass das Personal frei von ansteckenden Krankheiten ist.
- 3. Es besteht die Pflicht, Personal, das die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, auf Verlangen unverzüglich aus dem Bundesgebiet durch die Truppe zu entfernen.
- 4. Es besteht die Pflicht zur An- und Abmeldung in Beherbergungsbetrieben nach Maßgabe des Meldegesetzes 1991.
- 5. Das Waffengesetz 1996 und das Kriegsmaterialgesetz gelten für mitgeführte Waffen, Munition oder Kriegsmaterial und das Außenwirtschaftsgesetz 2011 für andere mitgeführte Güter.
- 6. Von der Ausübung innerstaatlicher Strafgerichtsbarkeit wird für nach österreichischem Recht strafbarem Verhalten nur abgesehen, wenn dieses ausschließlich gegen das Vermögen oder die Sicherheit des entsendenden Staates oder die Person oder das Vermögen eines anderen Truppenangehörigen dieses Staates gerichtet ist oder sich aus einer Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Dienstes ergibt; die Übergabe eines Truppenangehörigen an den Entsendestaat darf nur unter der Bedingung vorgesehen werden, dass die Todesstrafe durch den Entsendestaat weder verhängt noch vollstreckt wird.
- 7. Die vom entsendenden Staat zu bestimmende Behörde und die Vorgesetzten der Truppenangehörigen haben das Recht, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin gegenüber Mitgliedern ihrer Truppen notwendigen Disziplinarmaßnahmen zu treffen, die ihnen nach dem Recht dieses Staates zustehen. Sie haben keine Disziplinargewalt gegenüber Truppenangehörigen anderer Staaten. Disziplinarmaßnahmen, die in unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eines Menschen bestehen, dürfen auf österreichischem Hoheitsgebiet weder verhängt noch vollstreckt werden.
- 8. Von jeder Festnahme Truppenangehöriger ist unverzüglich eine vom entsendenden Staat zu bezeichnende Stelle unter Benennung des Gerichtes oder der Behörde, der der Betroffene vorgeführt wird, in Kenntnis zu setzen.
- 9. Ist es zur Erreichung des Aufenthaltszweckes erforderlich, dürfen Telekommunikationseinrichtungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit Zustimmung der Fernmeldebehörde ohne weitere Bewilligung errichtet und betrieben werden, soweit sichergestellt ist, dass dadurch anderer Telekommunikationsverkehr nicht beeinträchtigt wird; falls erforderlich, wird ein so in Betrieb genommener Telekommunikationsverkehr auf Verlangen der Fernmeldebehörde unverzüglich eingestellt; für die vom Bundesminister für Landesverteidigung verwalteten Funkfrequenzen ist die Zustimmung zur Nutzung von diesem einzuholen.
- 10. Steht der Truppe keine ausreichende eigene medizinische Versorgung zur Verfügung, kann diese durch Sanitätsstellen des Bundesheeres im Rahmen der Erfüllung von Aufgaben nach Art. 79 B-VG sichergestellt werden.
- 11. Für den Transport von Waffen, schwerem Gerät oder Gefahrengut werden Transportwege und Transportmittel festgelegt; der Kontrolle der Einhaltung verkehrs- und kraftfahrrechtlicher Vorschriften durch die zuständigen Organe kann Personal der Truppe beiwohnen.
- 12. Von den zuständigen Stellen des Entsendestaates ausgestellte Führerscheine oder vergleichbare Erlaubnisscheine werden von den österreichischen Behörden als Lenkberechtigungen anerkannt; eine Übersetzung dieser Dokumente in deutscher Sprache ist mitzuführen und auf Verlangen der zuständigen Behörde oder der Organe der Straßenaufsicht zusammen mit dem Originaldokument auszuhändigen.
- 13. Für alle Dienstkraftfahrzeuge, militärische Luft- und Wasserfahrzeuge entfällt die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung, soweit der Entsendestaat die Risiken übernimmt.
- 14. Der Entsendestaat haftet für alle der Republik Österreich oder Dritten entstandenen Schäden, die durch Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen dienstlicher Verrichtungen durch Personal oder durch andere Handlungen oder Unterlassungen verursacht worden sind, die den Truppen zuzurechnen sind; Schadenersatzansprüche sind auf Geldentschädigungen beschränkt und werden Dritten vom Bund für den Entsendestaat abgegolten, der der Republik Österreich alle zur Befriedigung des Anspruches erbrachten Zahlungen und Auslagen ersetzt.
- 15. Für militärische Übungen der Truppe gelten die Regelungen für Übungen des Bundesheeres.
- 16. Vorbehaltlich gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften kann die Truppe von Gebühren und Abgaben in Angelegenheiten, die die Truppe und die Durchführung ihrer Aufgaben betreffen, befreit werden; ebenso kann das Personal der Truppe von Steuern auf Bezüge und Einkünfte, die ihm in seiner Eigenschaft als Truppenpersonal vom Entsendestaat gezahlt werden, befreit werden.
- 17. Vorbehaltlich gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften können der Truppe Befreiungen und Vereinfachungen im Bereich des Zollrechts bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren, die ausschließlich zur Verwendung durch die Truppe oder zum persönlichen Ge- und Verbrauch durch das Personal der Truppe für die Dauer des Aufenthalts bestimmt sind, gewährt werden.
- 18. Die Auslegung dieser Vereinbarungen ist zunächst im Verhandlungswege zu klären; die Zuständigkeit einer völkerrechtlichen Gerichtsbarkeit oder Schiedsgerichtsbarkeit kann vereinbart werden.
§ 5.VerfahrenDie zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Kontakte mit Vertretern von Völkerrechtssubjekten erfolgen auf diplomatischem Weg.
§ 5a.Verarbeitung personenbezogener Daten
- (1) Der Bundesminister für Landesverteidigung und die sonstigen mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Behörden dürfen zur Wahrnehmung der ihnen jeweils nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben Grunddaten nach § 55a Abs. 1 Z 1 WG 2001 von Personen nach § 1 Abs. 1 verarbeiten, sofern diese zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind.
- (2) Besondere Bestimmungen über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten in völkerrechtlichen Vereinbarungen bleiben unberührt.
§ 6.VerweisungenVerweisungen in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen.
§ 7.In-Kraft-Treten
- (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 2001 in Kraft.
- (2) § 2 Abs. 1 und 6, § 4 sowie § 8, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 85/2009, treten mit 1. September 2009 in Kraft.
- (3) § 5a samt Überschrift in der Fassung des Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018, BGBl. I Nr. 32/2018, tritt mit 25. Mai 2018 in Kraft.
- (4) § 2 Abs. 1 und 6, § 4 und § 8, jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019, treten mit 1. Dezember 2019 in Kraft.
§ 8.VollziehungMit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich des § 4 die Bundesregierung, sonst der Bundesminister für Landesverteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betraut.